Befreiung durch den tänzerischen Ausdruck
Es war ein Tanzfilm, der Dokumentarfilm „Mr. Gaga“ von Tomer Heymann, über den im Kibbuz aufgewachsenen jüdischen Tänzer und Choreographen Ohad Naharin, der mich dazu inspirierte, über meinen eigenen Bezug zum Tanzen, zur Bewegung und Lebendigkeit nachzudenken, und nach neuen Formen der Bewegung zu suchen.
In dem Film wird gezeigt, wie Ohad Naharin eine komplett neue Bewegungssprache erfand, die er schlicht `Gaga‚ nennt, und wo es um die Befreiung durch den tänzerischen Ausdruck geht.
Dieser Tanzstil durchbricht Traditionen, gibt dem Körper neue Freiheiten und motiviert die Tänzer zur freien, spielerischen, kreativen Interaktion.
Es geht darum, das Instinktive, Natürliche, und auch das Tierische, Animalische im Menschen zum Ausdruck zu bringen. Das, was sich zeigen will.
Die Tänzer hören auf ihren Körper, bevor sie ihm mitteilen, was er tun soll. Mit viel Anmut, Langsamkeit, Minimalismus, Schönheit.
Bewegung die heilt, Bewegung als authentischer Ausdruck des eigenen Selbst.
Eine Verbindung der männlichen und der weiblichen Energien, von Explosivität und Nachgeben, von Aggressivität und Zartheit.
„Ich tanze!“ – Meine Tanz- und Bewegungsbiographie
Ich erinnerte mich daran, wie lebendig ich als Kind war und wie gerne ich immer getanzt habe. Ich war immer in Bewegung, lief mit meinen Freundinnen durch die Gegend, spielte mit den anderen Kindern fangen.
Ich liebte es, mit meiner Freundin Vanessa wie Ronja Räubertochter mit Birk Borka durch die Wälder zu strolchen und fühlte mich wild und frei.
Oft kletterte ich auf die höchsten Bäume und versetzte die Erwachsenen damit in Angst und Schrecken.
Wie ein Derwisch tanzte ich zuhause durch die Wohnung. Oder ich verkleidete mich im Mini-Playback-Style und imitierte vor dem Spiegel Popstars wie Madonna. „Come on, vogue. Let your body move to the music!“
In mir war viel Wildheit, Lebendigkeit, Vitalität. Bewegung, die zum Ausdruck drängte.
Einmal stand ich in der Schule einfach auf und tanzte durch den Klassenraum. Mein Grundschullehrer, der streng, aber gerecht war, lachte nur und fragte, was ich denn da mache. Und ich antwortete: „Ich tanze!“
Als ich mit meiner Mutter, meiner Großmutter und meinem Bruder einen Urlaub auf der kleinen Nordseeinsel Baltrum machte, tanzte ich einmal so wild vor dem Fernseher herum, wo ein Popkonzert von Tina Turner übertragen wurde, dass ich mir am Ende den Knöchel gegen den Tisch anschlug und diesen dabei verstauchte. Krawumm! Voll erwischt! Danach konnte ich erstmal eine Weile nur im Bollerwagen über den Strand gezogen werden.
Wie ich als Jugendliche verschiedene Tanzformen ausprobierte und auch sonst immer in Bewegung war
Später fand mein Bewegungsdrang dann mehr Form: ich nahm Ballettunterricht, ging zum Jazzdance und machte Tanztheater. Bei einer Aufführung auf der Bühne meines Gymnasiums tanzten wir mit rosafarbenen Seidentüchern zu Jewels „These Hands“.
In der lokalen Turnhalle besuchte ich Aerobic-Kurse und ich ging mit meiner Mutter und meinem Onkel im Bergischen Land auf dem schicken 70er-Jahre-Trimm-Dich-Pfad im Wald Joggen.
Ich war viel unterwegs, vor allem in Köln, wo ich vom Kulturleben profitierte. Ich schlenderte durch Museen und Galerien, blätterte durch Kunstbücher in kleinen Buchhandlungen, besuchte die Philharmonie oder das Theater. Mit meinen Freunden traf ich mich sonntags zum Frühstück im Literaturcafé Goldmund in Ehrenfeld. Mit mehreren Schülerjobs finanzierte ich meine Europareisen, bei denen ich viel rum kam und durch die Begegnungen mit den locals verschiedene europäische Kulturen kennenlernen durfte.
Auch das wilde, unkontrollierte Tanzen blieb erhalten. Ich ging auf Rock-, Ska- und Punkkonzerte und genoss es, dort wie verrückt zu Pogen. Manchmal, wenn ich bei den Konzerten ganz vorne gestanden hatte, unter den großen, kräftigen Jungs, kam ich mit vielen blauen Flecken an den Armen wieder zurück nach Hause. Auf Unifestivals und anderen Musikfestivals gab ich mich ganz der wilden, unkontrollierten Bewegung ohne jegliche Choreographie hin, ich tanzte mit meinen Freunden in Clubs, wie dem rockigen Rose Club in der Luxemburger Straße, und ich tanzte allein für mich zuhause, zur neuesten Untergund-Musik, um eine Weile die Welt um mich herum zu vergessen und um mich lebendig zu fühlen.
Mein Bruder und ich konnten immer alle aktuellen Songs mitsingen, weil unsere junge, alleinerziehende Mutter, die mich mit 18 bekommen hatte, den ganzen Tag das Radio und die Bravo- und Viva-Charts laufen ließ. Als mein Bruder mich später einmal in Berlin besuchte, um mit mir Sylvester zu feiern, tanzten wir ausgelassen und fröhlich im Kaffee Burger durch die Nacht und konnten bei allen Liedern mitsingen. Was für ein Spaß!
Der Ausdruck meiner Lebendigkeit und Vitalität führte auch in meinem sonstigen Alltag zu einer immensen Leichtigkeit. Dem Abitur näherte ich mich spielerisch und mit Leichtigkeit. Ich traf mich mit Freundinnen zum Lernen. Ich genoss es, zu Lernen. Die mündlichen Prüfungen betrachtete ich als kleine Auftritte, in denen ich mich und mein Wissen und Können zeigen durfte, und ich brillierte darin. Es war eine schöne Herausforderung.
Meine Großmutter, die so etwas wie eine zweite Mutter für mich und meinen Bruder war, erfreute sich sehr an meiner Lebendigkeit und meinem In-Bewegung-Sein. Sie selbst wäre als junge Frau auch gern so frei und unbekümmert gewesen, sie war aber von gesellschaftlichen Konventionen davon abgehalten worden, das frei zum Ausdruck zu bringen.
Neue Formen der Bewegung im kreativen Ausdruckstanz
Als ich nun den Film „Mr. Gaga“ im Kino sah, inspirierte mich das dazu, alternative Formen des Tanzens auszuprobieren. Ich wollte in den kreativen Fluss kommen, aus dem Körper heraus formlos eine neue Form findend. Ich suchte nach Möglichkeiten zum kreativem Ausdruckstanz und tanzpädagogische Methoden und fand Lamia Krieners „Tänze des Lebens“.
Dort lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen über physische Haltungen und Bewegungen sensorische und emotionale Vorgänge positiv zu beeinflussen. Körper, Geist und Psyche stehen in einer Wechselwirkung zueinander und sind gleichermaßen integriert. Inneres und äußeres Erleben bedingen einander.
Durch die persönlichen Zugänge, die der Tanzende zu seiner Bewegung findet, erweitert sich sein Bewegungsrepertoire und sein Körperempfinden vertieft sich. Die motorische Veränderung der Bewegung ermöglicht eine persönliche Transformation.
Ein ganzheitliches System zur Entfaltung und Integration von Potentialen
Inspiriert sind die „Tänze des Lebens“ durch Biodanza, ein ganzheitliches System zur Entfaltung und Integration menschlicher Potentiale durch Musik, Tanz, Bewegung, Kontakt und Berührung, das der chilenische Psychologe, Soziologe, Anthropologe und Künstler Rolando Toro Arenada in den 60er Jahren entwickelt hat.
Dieses „System der existentiellen Erneuerung“ bietet innerhalb der Gemeinschaft der Gruppe einen geschützten Raum, den Rolando Toro als (mit Liebe) „angereichertes (Energie-) Feld“ bezeichnet.
Biodanza – die Poesie der menschlichen Begegnung
Durch die sinnliche und emotionale Erfahrung beim Tanzen, die „Poesie der menschlichen Begegnung“ und durch den körperlichen Ausdruck wird eine tiefgreifende Transformation ermöglicht. Integration, Heilung und eine Erneuerung der vitalen Lebensfunktionen dürfen stattfinden.
Das Leben und seine ursprünglichen Möglichkeiten der Selbstorganisation stehen beim biozentrischen Prinzip nach Rolando Toro im Vordergrund. Er hat den Begriff des „vitalen Unbewussten“ entwickelt, den „Psychismus der Zellen„, wie er es nennt. Unser Denken und Fühlen wirken ebenso wie unsere Bewegungen und Haltungen in jede Zelle unseres Körpers hinein. Das Zellbewusstsein des vitalen Unbewussten wirkt sich somit auf die endogene Gestimmtheit und das kinästhetische Wohlbefinden oder Unwohlsein aus. Auf die Selbstorganisation der Zellen kann etwa durch das Tanzen und das Ausüben archetypischer Haltungen, durch Berührung und Begegnung, durch den Ausdruck der eigenen Potentiale, und durch das Gefühl der Verbundenheit mit dem Kosmos positiv eingewirkt werden. Wir können uns die positiven Energien und Gefühle, die in der Gruppe erzeugt werden, anverwandeln. So machen wir Tanzenden am Ende einer Vivencia (Tanzeinheit) Freudensprünge, wo vorher nur durch die Gegend geschlurft wurde.
Let’s dance
Put on your red shoes and dance the blues
Hinter all dem steht ein tieferer Sinn: Die Entwicklung eines ethischen Bewusstseins und der Achtung des Lebens, seiner Schönheit und seines Mysteriums, der Ehrfurcht vor der Heiligkeit alles Lebendigen.
Wir erschließen uns im Erleben der Vivencia und in der Auseinandersetzung mit dem biozentrischen Prinzip unsere eigene Zugehörigkeit zur Natur und zum Universum, unseren kosmischen Ursprung.
Lamia hat dieses System in ihren Tänzen des Lebens um Schamanismus und den Bezug zum Jahreskreis und zu den natürlichen Rhythmen des Lebens erweitert.
Während der Vivencias, den Tanzeinheiten, bin ich immer im subjektiven emotionalen Augenblick, im Erleben. Alles, was ich in der Tänze-des-Lebens-Ausbildung theoretisch lerne, erschließe ich mir über meine eigene Erfahrung im Tanzen – und in der Begegnung mit anderen Menschen. Ich erlebe die subjektiv emotionale Präsenz eines jeden einzelnen Teilnehmers und jeder Teilnehmerin.
Körperbewegungen, Gesten, Blicke, der Gesichtsausdruck, Berührungen – all das erzählt mir ganz viel über mein Gegenüber und auch über mich selbst.
Die körperlich-sinnliche Dimension des Erlebens schafft Verbindung. Die freien, tänzerischen Begegnungen mit den anderen Teilnehmern empfinde ich als sehr nährend, stärkend.
Integration und Ausdruck verschiedener Anteile und die Erlebnislinien
Bei den Tänzen des Lebens geht es um die Integration verschiedener Anteile: Ich spüre meine eigene Lebendigkeit, meine Vitalität.
Integrieren kann ich nun wieder meine eigenen vitalen Anteile, die ich oft abspalten musste, etwa beim langen Stillsitzen in der Schule, oder in meiner Rolle innerhalb des Familiensystems als vernünftige, rationale, selbstbeherrschte, adrette ältere Tochter und Gymnasiastin. Meine andere, wildere Seite kann ich nun auch wieder zum Ausdruck bringen. Ich erlebe mich tanzend und in der Begegnung mit den anderen als lebendig, kraftvoll, vital.
In der Gruppe erfahre ich durch die Begegnung, durch Blicke und Berührung Affektivität. Dadurch kann ich mir selbst und anderen ganz anders begegnen, aus der Liebe heraus, frei von Wollen. Es entsteht eine ganz besondere Erfahrung von Nähe und Zärtlichkeit, ein wirkliches Berührtwerden, voller Zartheit, Sanftheit, Weichheit, Geborgenheit, Liebe, Innigkeit, Aufgehobensein – ein Zuhause-Gefühl.
Die Möglichkeit, diese Affektivität im geschützten Raum der Ausbildungsgrupe unter Anleitung der Ermöglicherin und Ausbilderin Lamia erleben und ausleben zu können, führt bei mir zu einer deutlichen Verbesserung meiner Beziehung zu mir selbst – und auch zu meinem Partner. Auch mit ihm kreeiere ich einen geschützten Raum voller Zärtlichkeit und Geborgenheit und liebevoller Zuwendung.
Neben der Erlebnislinie der Vitalität und derjenigen der Affektivität werden durch die Tänze des Lebens auch die anderen Erlebenislinien gestärkt: die der Kreativität, diejenige der Sexualität und die der Transzendenz.
Durch Spiele, durch neue Formen des tänzerischen Ausdrucks und der Bewegung, darf sich die eigene Kreativität entfalten. Die Befreiung des Körpers und des Ausdrucks führt auch zu einem anderen, freieren Umgang mit der Sexualität und mit der eigenen Körperlichkeit.
Und auch die Ebene der Transzendenz, die Spiritualität, wird durch das Tanzen integriert. Ich fühle mich mit dem Universum und dem Alleins verbunden. Die Begegnungen mit mir selbst und mit den anderen im angereicherten Feld sind mir heilig.
Lebendige Präsenz im eigenen Leib durch verkörperte Selbstwahrnehmung
Alles ist ein natürlicher Teil von mir und nichts davon muss abgespalten werden. Stattdessen gehe ich in Kontakt mit dem, was da ist, was sich zeigen will: Verspannungen, Körperregionen, die sich gerade nicht so geschmeidig anfühlen, wie sonst, Müdigkeit, ein Bedürfnis nach Rückzug und Alleinsein, aufkommende Emotionen. Mein Bewegungsdrang, meine Lebensfreude, meine Verrücktheit, meine Spielfreude, mein Drang nach Expansion und Ausdruck. Ich tanze mit jenen inneren Anteilen, die ich bisher abgespalten habe. Über die eigene Bewegung und die bewusste Wahrnehmung meines Körpers komme ich in Kontakt zu mir selbst.
Ich erlebe verkörperte Selbstwahrnehmung, wie es der Körpertherapeut und Entwicklungspsychologe Alan Fogel nennt („embodied self-awareness„). Durch Bewegung, Berührung, Atmung und Aufmerksamkeit werde ich mir meines eigenen Leibes bewusst. Ich erlange eine bewusste, lebendige Präsenz im eigenen Leib. Ich fühle mich lebendig und verbunden. Die isolierte Selbstwahrnehmung weicht einem vernetzten, verbundenen Denken und Handeln.
Arbeit mit der Schönheit und dem Potential – der ressourcenorientierte Ansatz
Bei den Tänzen des Lebens arbeiten wir ressourcenorientiert, mit dem, was schon an Ressourcen und Möglichkeiten da ist. Der Fokus liegt nicht etwa auf dem, was fehlt, sondern auf dem, was an Schönheit und Potential vorhanden ist. Auf den Stärken, statt auf den Schwächen.
Wir verstehen Menschen nicht als Probleme, die auf eine Lösung warten, sondern sie wollen bloß evolutionär und organisch ihr Potential entfalten.
Der lösungorientierte Ansatz – wie sich mit Leichtigkeit Vieles lösen darf
Wir arbeiten lösungsorientiert, anstatt problemorientiert.
Es gibt vor jeder Tanzeinheit (Vivencia) einen kurzen Gesprächskreis, den Tanz der Worte. Dort kann jeder aussprechen, was einen gerade beschäftigt und bewegt.
Das Tanzen, das darauf folgt, ist jedoch kein Bearbeiten eines sich im Tanz der Worte zeigenden Problems. Sondern es ist vielmehr eine Art Autopoiesis, ein Sichselbsthervorbringen der Bewegung, ganz organisch und leicht und wie von selbst darf sich dann vieles lösen.
Während des Tanzens und idealerweise auch danach wird nicht gesprochen, denn das würde bewerten und die Tanzenden aus dem Körpererleben herausbringen und sie wieder auf die kognitive Ebene bringen.
Veränderte Bewusstseinszustände in der regenerativen Regression
Es entsteht eine Art leichte Trance, ein veränderter Bewusstseinszustand, in dem sich alles, was da ist, zeigen und neu sortieren darf. Wir arbeiten bewusst mit dem Mittel der Regression, und zwar mit der sogenannten „regenerativen Regression“, der „Reprogession„. Hier leitet Lamia Zeremonien und Tänze an, die uns in einen veränderten Bewusstseinszustand führen,
„zu einem Zustand der Verschmelzung, zum Ursprünglichen, Präformalen, Chaotischen, zur Undifferenziertheit, zur Fusion mit dem kosmischen Ursprung allen Lebens“
(Lamia Kriener)
Vorsichtig, behutsam und sanft werden die Tanzenden aus der Regression wieder herausgeführt und in die Aktivierung gebracht. Dabei folgen die Tänze der Erlebniskurve, die der Vivencia eine Struktur gibt und das ganheitliche Erleben der verschiedenenen Erlebnislinien und der 4 Elemente ermöglicht.
Tanzen als Spielraumerweiterung und als Konfrontation mit neuen Herausforderungen
Der Tanz ist ein Experimentierfeld, innerhalb dessen eine Spielraumerweiterung möglich ist, eine alternative Welterfahrung.
Es ist gleichzeitig die Bühne, auf der sich der Tanzende zeigt.
Einzelne Tänze werden zur Konfrontation mit einer neuen Herausforderung. Manche Herausforderungen lassen die Tanzenden an ihre Grenzen stoßen. Sie werden von Gefühlen überwältigt, weinen, klinken sich aus der Gruppe aus, legen sich an den Rand, um nur bei sich zu sein, suchen das symbiotische Verschmelzen mit einer anderen Personen, werden albern, wählen konventionelle Tanzformen wie etwa das überschwängliche Drehen der anderen Person etc. All das kann passieren. Es ist Teil der Entwicklung eines jeden Tanzenden.
Dabei gibt es keine Möglichkeit, diese Entwicklung von Menschen zu forcieren oder zu beschleunigen. Man braucht viel Geduld, Verständnis und Respekt vor dem Erleben und den Möglichkeiten der anderen Person. Mitgefühl und Wertschätzung statt Verurteilung. Achtsamkeit und Wohlwollen.
Die Gruppe bietet den idealen Raum für diese Erfahrungen. Die Energie zwischen den Menschen in der Gruppe ist ganz wundervoll. Respektvoll, achtsam, Raum gebend.
Es gibt ein Gefühl von echter Gemeinschaft. Für mich ist das eine ganz zauberhafte neue Erfahrung. Ich bin nicht allein mit meinem Prozess, sondern ich werde begleitet und unterstützt!
Reparenting – ein Gefühl von Geborgenheit und Halt
Vor allem Übungen, wie das Sich-Anlehnen sitzend im Schoß einer anderen Person auf dem Boden, von ihr gehalten und gestützt zu sein, geben mir das so lange vermisste Gefühl von Gehaltensein, Halt, Geborgenheit, Schutz, Sicherheit, Ruhe. Dadurch kann ich mir jetzt das geben lassen, was mir als junge Erwachsene oft gefehlt hat.
Zeit ist relativ, alles ist gleichzeitig. Das ist das Konzept des Reparenting:
„Es ist niemals zu spät für eine glückliche Kindheit.“
Tanzen als Weg der Heilung und als Ausdruck der eigenen Potentiale
Bei den Tänzen des Lebens geht es um das Wiedererwecken und den Ausdruck unserer vitalen, affektiven, sexuellen, kreativen und transzendenten Potentiale, um persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung im geschützten Raum der Gruppe, um Tanz, um Begegnung, den Moment des Erlebens.
Wir zeigen uns mit unseren Bewegungen und unserem Körper.
Dahinter steht ein integratives, auf den körperlich-sinnlichen Ausdruck ausgerichtetes Konzept, das sich von therapeutischen Konzepten grundlegend unterscheidet.
Dennoch darf auch hier Heilung stattfinden: Das ganz natürliche, freie In-Bewegung-Sein sowie das Getragensein durch die Gruppe und die Unterstützung durch die Ermöglicherin führen dazu, dass ich mich während der Vivencias und kurz danach von meinem Körperpanzer befreien kann. Meine chronischen Schulter- und Nackenschmerzen gehen temporär weg. Ich fühle mich befreit, leicht, schwerelos.
Der Tanz selbst ist dabei der Weg zur Heilung; diese findet also auf nonverbalem Weg statt.
Und durch den lösungsorientierten Ansatz steht eben nicht der Schmerz, das Problem im Fokus, sondern der Prozess der zur Lösung führt, die freie Bewegung, der Tanz. Die Transformation erfolgt organisch, autopoietisch, mit viel Leichtigkeit und die Tanzenden gehen immer nur so weit, wie es ihnen gerade möglich ist. Vergleichbar ist das mit einem alchemistischen Prozess, bei dem scheinbar magisch aus Blei Gold wird.
Mein Erleben der 4 Elemente in den Tanz-Retreats auf dem Land
Als besonders heilsam erlebe ich die gemeinsamen verlängerten Wochenenden und Wochen in der Eifel oder im Bergischen Land.
Bei den längeren Retreats im Sommer und Herbst auf dem Land wird das Erleben im Rahmen von Natur-Ritualen im Bezug zum Jahreskreis und den Schamanismus vertieft.
Hier, inmiten der Natur, ist es möglich, die 4 Elemente ganz direkt zu erleben.
Beim Tanzen spüre ich den Waldboden unter meinen Füßen. Das sanfte Moos. Die knackenden Zweige. Die kinsternden Blätter. Bloßfüßig verbinde ich mich mit der Erde, die ich unter meinen Füßen spüre. Welch ein märchenhafter Tanzplatz!
Ich verbinde mich mit dem Himmel über mir, der in der Waldeslichtung über den Spitzen hochstämmiger Tannen sichtbar wird. Ich werde zum Falken, den ich über mir kreisen sehe, und imitiere sein Schweben und Fliegen.
Beim Tanzen im erfrischenden Regen erlebe ich Leichtigkeit und Ausgelassenheit.
Beim Tanz ums wärmende Feuer und beim gemeinsamen Singen am Feuer entsteht ein wundervolles Gemeinschaftsgefühl. Ich erfahre Wärme, Freude, Genuss, Lachen. Ich bin ganz im Moment. Das Feuer und die Gemeinschaft nähren und wärmen mich.
Das Ritual der Schwitzhütte lässt mich die Natur ganz unmittelbar erfahren. Den nährenden Boden von Mutter Erde, die Glut des Feuers. Ich rieche die Kräuter und Harze, die Lamia auf die glühenden Steine wirft. Ich gebe meine Ängste und Sorgen, alle Schwere und Last, an Mutter Erde ab und spreche meine Wünsche für mich und meine Liebsten in die Dunkelheit des Zeltes hinein.
Diese Möglichkeit des Naturerlebens, das Spüren der direkten Verbindung zur inneren und zur äußeren Natur, empfinde ich als ganz besonders wertvoll.
Während der Tanzwoche zu den 4 Elementen bekam jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin ein eigenes Ritual von Lamia geschenkt.
Ich durfte inmitten des großen Kreises aus allen SeminarteilnehmerInnen in der Mitte einen Tanz zur Verbindung mit dem Element Erde tanzen. Mit dem betörenden Duft feinsten bulgarischen Rosenöls in der Nase, begleitet von rhythmischer Musik, begab ich mich langsam auf den Boden, um dort schrittweise immer mehr mit diesem zu verschmelzen.
Mein Tanz mit Mutter Erde war so schön, so sinnlich, so genussvoll. Ich habe die Festigkeit der Erde gespürt, und war doch ganz leicht und beweglich. Es war ein sanftes Getragensein. Ich fühlte mich geborgen. Und verbunden. Genährt. Und frei.
Dieses Gefühl möchte ich nun in meinem Alltag verankern. Über praktische Erfahrung, Erleben, über den Körper, das Körperwissen. Über Tanzen, Barfußaufen auf der Wiese, Körper-Schütteln, Erd-Meditationen, Rückwärtslaufen, die Nabhi Kriya aus dem Kundalini Yoga nach Yogi Bhajan, das Streicheln von Pferden… eine spannende Herausforderung für mich!
Individuelle Rituale als strukturierende Mittel im angereicherten (Energie-)Feld
Auch die Rituale der anderen Tanzenden waren sehr bewegend und haben mich sehr berührt. Der Seminarraum wurde zu einem geschützten Raum, in dem die Tanzenden für sie wichtige Entwicklungsschritte durchlaufen konnten. Im angereicherten Feld war es möglich, tiefgreifende Schritte der Transformation zu wagen.
Die Vivencias bei Lamia haben oft einen Bezug zum Ritual. Rituale geben als strukturierende Mittel Halt und Orientierung und können bei der Bewältigung komplexer lebensgestalterischer Aufgaben helfen. Ein Ritual
„stellt somit über profane Alltagsbedeutung hinausweisende Bedeutungs- oder Sinnzusammenhänge symbolisch dar, macht sie erfahrbar oder verweist auf sie.“ (Lamia Kriener)
Die Rituale in Lamias Vivencias sind zumeist eingebettet in das Erleben des Jahreskreises und schließen somit an die Tradition der Naturreligionen an.
Märchen, Mythen, Archetypen
Außerdem bezieht Lamia, wie zuvor auch schon Rolando Toro im Biodanza, in ihren Tänzen des Lebens auch die mytho-poetische Dimension in die Tänze ein. Oft erzählt sie Märchen und Mythen, sie bezieht die Archetypen aus dem kollektiven Unbewussten (nach C.G. Jung) ein und lehrt uns archetypische und generierende Haltungen.
In den Vivencias fühle ich mich lebendig, im Einklang mit allem, was da ist, was sich zeigen will, ich habe das Gefühl, das alles da sein darf. Ich kann mich zeigen, wie ich bin, ganz authentisch. Im Tanzen habe ich eine Ausdrucksform gefunden, die mir neue Möglichkeiten eröffnet. In der Gruppe fühle ich mich im Entdecken dieser Möglichkeiten begleitet.