New Work – The Female Way
Unsere heutige Arbeitswelt und die jetzigen gesellschaftlichen Strukturen wurden primär von weißen alten wohlhabenden Hetero-Männern geschaffen, die ihre weiblichen Anteile nicht leben und diese auch bei anderen nicht wertschätzen.
Diversität? Fehlanzeige!
Frauen in Führungspositionen haben es immer noch schwer, und sie orientieren ihr Führungsverhalten zumeist an männlichen Werten. Davon erhoffen sie sich, sich im Spiel um Macht durchsetzen und die gläserne Decke durchstoßen zu können.
Doch in Wahrheit setzen sie damit letztendlich dann aber auch bloß den Status quo fort:
- Lineares Denken,
- Fortschritts- und Wachstumsorientierung,
- Effizienz und Leistung um jeden Preis.
Damit allein kommen wir aber jetzt nicht mehr weiter. Das zeigen die vielfältigen Krisen der Gegenwart, von Finanzkrise über Klimawandel bis Pandemie.
Das alte patriarchalische ausbeuterische Gesellschaftmodell kann nur noch mit einer gehörigen Portion Realitätsverweigerung fortgesetzt werden.
Es ist längst Zeit für ein neues Paradigma, in dem natürliches und organisches Wachstum, Respekt für die natürlichen Rhythmen des Lebens und für natürliche Grenzen das alte extraktivistische Modell ersetzen.
Die Pandemie erscheint als Vorbote dessen, was angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt in Zukunft immer häufiger auf uns zukommen wird: Der ökologische Kollaps und der gesellschaftliche und ökonomische Ausnahmezustand.
Trotz alldem fällt es uns immer noch ungeheuer schwer, etwas radikal anderes und Neues zu imaginieren. Dazu schrieb Slavoj Zizek in einem seiner nach der Finanzkrise erschienenen Bücher:
“It’s easier to imagine the end of the world than to imagine the end of capitalism”.
In der Corporate Society bestimmen Wirtschaft und Industrie, wie wir gesamtgesellschaftlich mit Krisen umgehen.
Große Unternehmen bereichern sich sogar noch an den Krisen der Gegenwart: Nie waren die Reichsten der Reichen reicher als jetzt, wo die Welt vor dem Kollaps steht.
Sie wollen logischerweise um jeden Preis am alten Paradigma festhalten. Schließlich profitieren sie davon. Kein Wunder also, dass es von deren Seite immer nur ein “Weiter so!” gibt.
Nach der Finanzkrise, trotz Klimawandel, inmitten der Pandemie.
Sogar die Durchseuchung der ungeschützten ungeimpften Kinder wird in Kauf genommen – hautpsache alle gehen weiter schön brav zur Arbeit und konsumieren immer weiter. Ausnahmen dieser wirtschaftsbejahenden und lebensverneinenden Krisenpolitik waren nicht zufällig von Frauen regierte Länder wie Neuseeland. Auch im von Merkel geführten Deutschland ging es mehr um den Schutz des Lebens als um den Schutz des Profits.
Für die meisten, die am Hebel der Macht sitzen, ist Fortschritt jedoch nur als Naturbeherrschung denkbar.
Dass da nicht unproblematisch ist, wurde in der Kritischen Theorie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts analysiert. Walter Benjamins Beobachtung über die Moderne, in der “Fortschritte in der Naturbeherrschung” mit “Rückschritten der Gesellschaft” einhergingen, lässt sich leider allzu gut auf die heutige Situation übertragen.
Richard Barbrook hat das auf die Internetkultur des Silicon Valley übertragen: In seinen Überlegungen über die “Kalifornische Ideologie” des Silicon Valley bezeichnet er diese als einen „reaktionären Modernismus“, der durch wirtschaftlichen Fortschritt und sozialen Stillstand („economic progress and social immobility“) charakterisiert ist.
Diese Ideenlosigkeit in Bezug auf gesellschaftlichen und sozialen Fortschritt und ein lebenswertes Miteinander verweist auf eine Leerstelle in unserer Kultur: Der Schutz und Erhalt des Lebens, Schöpfertum, Care – all jene Qualitäten gilt es aufzuwerten.
In ihrem Buch “Revolutionary Motherhood” verbindet Alexis Pauline Gumbs diese Qualitäten mit der Idee der Mutterschaft:
„In order to collectively figure out how to sustain and support our evoloving species, in order to participate in an demand a society where people help to create each other instead of too often destroying each other, we need to look at the practice of creating, nurturing, affirming, and supporting life that we call mothering.“
Alexis Pauline Gumbs
Wenn wir Gesellschaft neu denken wollen, gilt es diesen weiblichen, mütterlichen Qualitäten endlich wieder den Stellenwert und den Respekt zu geben, den sie verdienen.
Derzeit ist unsere Kultur jedoch größtenteils leider immer noch von einem Defizitmodell von Weiblichkeit geprägt: Jene, die sich als Frauen verstehen, werden abgewertet. Weibliche Qualitäten und Werte gelten als “weniger als” männliche.
Auch Mutterschaft wird in Bezug auf die Arbeitswelt nur als Problem angesehen, da Mütter dem Arbeitsmarkt nicht voll und ganz zur Verfügung stehen und Kinderbetreuung organisiert werden will.
Nicht gesehen und geschätzt wird die schöpferische und lebensbejahende Kraft der Mutter.
Dabei brauchen wir diese gerade jetzt:
“I really saw clearly, and for the first time, why a mother is really important. Not just because she feeds and also loves and cuddles and even mollycoddles a child, but because in an interesting and maybe an eerie and unworldly way, she stands in the gap. She stands between the unknown and the known.”
Maya Angelou
In Zeiten wie diesen sollten wir nicht länger darüber schweigen, welche Qualitäten, Fähigkeiten und Fertigkeiten Frauen mitbringen.
Ich denke dabei an die Frage der italienischen Differenzphilosophie: Was ändert sich, wenn sich Frauen in die Arbeitswelt einbringen, wenn es weibliche Führungskräfte gibt?
Mit der Quote allein ist es dabei noch lange nicht getan, denn was nützen mehr Frauen in Führungspositionen, wenn die Unternehmenskultur dadurch nicht verändert wird? Das Potenzial, wirklich etwas zu verändern, wird so nur verschenkt.
Stattdessen gilt es die dringliche Frage zu stellen, wie wir unsere Beziehungen zueinander gestalten wollen. Wer kümmert sich wie und wann um Care-Arbeit? Wer produziert wie? Wie können wir eine “solidarisch-kooperative Beziehungsweise“, eine „Beziehung der solidarischen Gleichheit“ (Bini Adamczak) in der Familie und im Unternehmen leben?
Franziska Schutzbach schlägt in ihrem Buch “Die Erschöpfung der Frauen” vor:
“Wenn wir Arbeit und Ökonomie von der Verletzlichkeit und Bedürftigkeit der Menschen, aber auch von der begrenzten, verletzlichen Natur her denken, bekommt Ökonomie eine andere Bestimmung.”
Franziska Schutzbach
Es gilt, achtsam und mit einem offenen, wachsamen und liebevollen Blick auf unsere innere und die äußere Natur, auf unsere Bedürfnisse und unsere Bedürftigkeit, Arbeit und Gesellschaft neu zu gestalten.
Tatsächlich ließe sich Arbeit so neu denken und “New Work” wäre endlich wieder mehr als nur ein abgegriffenes Buzz-Wort, mit dem Marketing-Abteilungen von Unternehmen, die noch ganz tief drin im old work stecken – hierarchische Strukturen, patriarchalisches Gehabe, Druckmachen von oben, Anreize in Form von Boni, die den Druck erhöhen und Konkurrenzdenken unter den Kollegen fördern – sich einen modernen Anstrich verleihen wollen.